Ethik der Beratung – Fachtagung bso vom 4. November 2021 (Teil 1)
In für Fachtagungen bso ungewohnt kleinem Rahmen, dafür etwas familiärer und intensiver im Austausch, hat der erste Teil der Tagung am Donnerstagabend stattgefunden.
Bei der Themensammlung im Workshop “Organisationsethik” mit Prof. Dr. Christof Arn zum Umgang mit “normativen Papieren” hat sich sehr bald eine gemeinsame Wahrnehmung unter den Teilnehmenden herauskristallisiert, dass Organisationen gefordert sind, sich einen Überblick zu verschaffen, was in den vergangenen Jahrzehnten an eben solchen normativen Papieren erarbeitet worden ist, um die Geschicke in geordnete Bahnen zu lenken. Nicht selten mit dem Ergebnis, dass vor allem viel entstanden ist; manchmal anstatt Klarheit zu schaffen, auch das Gegenteil der Fall war; insbesondere mit der Zeit das Risiko stieg, den Überblick zu verlieren, aber auch kohärente Ausrichtung und agile Weiterentwicklung fehlt.
In diesem Workshop eine strukturierte Methode kennenzulernen, um Antworten auf diesen Trend zu finden, weckte breites Interesse der Teilnehmenden.
Die von den Teilnehmenden selbst gewählten Inhalte für die Arbeit in Gruppen – die kollaborative Erarbeitung von Ideen, um ein “Entbürokratisierungspapier” zu formulieren, mit dem man der “Inflation von Richtlinien” begegnen könnte – hören sich geradezu paradox an: Ein weiteres normatives Papier, um normative Papiere zu managen?! Etwas besser nachvollziehbar wird es, wenn man es als “Meta-Papier” betrachtet, mittels dessen bestehende normative Papiere auf ihre Funktionalität überprüft, gegebenenfalls angepasst, wenn nötig ersetzt oder – wenn redundant oder überholt – auch einfach geschreddert werden können.
Die Methode, die Christof Arn moderierte, hat die Teilnehmenden über die Reflexion persönlicher Werte zu deren Bedeutung für Wertesysteme in Organisationen geführt. Entlang der Arbeitsschritte konnten in kurzer Zeit kreative und pragmatische Lösungsansätze – in diesem Fall eben zum Thema “Entbürokratisierung” – erarbeitet werden.
Ein iterativer Prozess zur Lösungsfindung – der letztlich für jede beliebige Problemstellung eingesetzt werden kann – sorgt dafür, dass Betroffene in die Erarbeitung von Ideen und Ansätzen einbezogen werden. Sie machen sich selbst Gedanken über ihre Arbeitsabläufe; sie lernen, Bestehendes konstruktiv in Frage zu stellen; sie entwickeln das Gefühl, dass sie nicht nur Ausführende sind, sondern mitgestalten können; sie erleben, dass nichts in Stein gemeißelt ist, sondern sie mitwirken und laufend aus eigener Initiative Anpassungen vornehmen können. Strukturen, Prozesse, Mitarbeitende und die Organisation entwickeln sich auf diese Weise kontinuierlich – und agil – weiter.
Die Entwicklung von Ideen und Textentwürfen; die Konkretisierung und Auswertung innerhalb der Arbeitsgruppe; das Einholen von Feedback aus einem erweiterten Kreis von Protagonist:innen aus der Gesamtorganisation und die Überprüfung der Praxistauglichkeit in ausgewählten Teams, das sind Schritte, die über mehrere Lernschlaufen zu Versionen führen, die von Führungsverantwortlichen lediglich noch validiert werden müssen. Aus einem solchen Prozess gehen am Ende nicht abstrakte Formulierungen hervor, sondern durch die Auseinandersetzung der Betroffenen mit konkreten Fragestellungen wird die Umsetzung sinnorientierter Guidelines, tragfähiger Entscheidungen und funktionaler Lösungen in der Organisation breit verankert. Nicht von außen aufgesetzt, sondern von innen heraus entwickelt.
Mit anderen Worten: Gelebtes Empowerment, echte Partizipation, kreativ-konstruktive Kollaboration, selbst gesteuerte Agilität, wirksame Umsetzung und iterative Weiterentwicklung – so können Schlagworte mit Sinn erfüllt und zum Leben erweckt werden.
Ein Beitrag von Hans-Ueli Schlumpf
Vorstandsmitglied bso, Ressort Marketing & Kommunikation sowie Internationales & Partnerverbände