Ethikrichtlinien: Interessante Etikette oder aufgeräumter Instrumentenkoffer?
Um die Frage gleich zu beantworten: Sie können beides sein und könnten ein Drittes sein. Wenn … verschiedene Voraussetzungen beachtet werden.
Doch erst mal der Reihe nach.
Ethikrichtlinien boomen. Modeerscheinung? Sicher auch. Jedoch: Ob im Gesundheits- oder Sozialbereich, in der Führung oder im direkten Kontakt mit Klient*innen und ebenso in anderen Tätigkeiten: Komplexere Arbeitsteilungen und Gesellschaftsstrukturen, die teils sehr schnelle Zunahme von technischen Möglichkeiten, unmittelbarere Interkulturalität sind unter anderem Gründe dafür, dass sich in relativ rascher Folge zunehmend mehr tatsächlich anspruchsvolle ethische Fragen stellen – in diversen Berufsfeldern.
Folge dieser Entwicklungen ist unter anderem der Versuch, Fragen, die zum Beispiel im Zusammenhang mit Algorithmen oder Robotern auftauchen, abzufedern. Im Bereich der Beratung tauchen diese Fragen im Zusammenhang mit E-Consulting und der Digitalisierung von Beratungsprozessen auf. Der Boom ist auch vor dem Hintergrund der Verrechtlichung der Gesellschaft zu sehen. Die Anforderungen an die Einhaltung von Regeln (Compliance), zum Beispiel im ärztlichen, aber auch im sozialarbeiterischen oder pädagogischen Umfeld, steigen.
Ethikrichtlinien fussen auf gemeinsamer, sorgfältiger Reflexion von Fachpersonen der jeweiligen Berufsgattung bzw. der Branche, sowie auf Grundrechten und allgemein anerkannten Werten, wie den Menschenrechten .
Sie können Orientierung bieten und laden vor allem zur Auseinandersetzung und Reflexion ein. Sie entbinden nicht vom Denken und ebensowenig davon, Verantwortung für das eigene Handeln eigenständig zu tragen. Sondern: Ethikrichtlinien benennen markante Werte und Normen und enthalten Vorschläge, wie davon ausgehend Reflexion und individuelle Verantwortungsübernahme in einem bestimmten Berufsfeld bzw. zu bestimmten Thematiken funktionieren könnte. Ethikrichtlinien werden letztlich von den Mitgliedern einer Berufsorganisation beschlossen und enthalten dann oft auch einige Fixpunkte bzw. Leitplanken, mit denen die Mitglieder sich selbst gemeinsam vorgeben: Das gilt bei uns. Doch, sogar hier erweist sich die Diskussion wichtiger als der ausformulierte Text. Es lohnt sich, ihn als Zwischenstand einer gewiss weiter laufenden Diskussion zu verstehen, auch wenn er gerade darum für den Moment gemeinsam als gültig beschlossen wurde.
Ethik ist Reflexion (!) von Moral; also genau nicht das blinde Befolgen von Regeln, sondern die aktive Auseinandersetzung mit dilemmatischen Situationen. Wo es Ethikrichtlinien gelingt, dazu beizutragen, sind sie jedenfalls ein Werkzeugkoffer.
Interessante «Ethikette» hoffentlich auch, im Sinne von: Etwas, womit sich eine Berufsgruppe mit einem gewissen Stolz zeigt: So arbeiten wir, und das verstehen wir als unseren Beitrag für Menschen, Organisationen und Gesellschaft.
Diese beiden Dinge – und vermutlich noch mehr – können Ethikrichtlinien dann leisten: werte-dilemmatische Beratungssituation klären und oft auch entschärfen, Klient*innen und weiteren Interessierten zeigen, wie die Mitglieder — in diesem Falle des bso — ihre Arbeit hinsichtlich Werteorientierung sehen wollen.
Der bso als Berufsverband für Supervision, Coaching und Organisationsberatung ist dabei, seine Ethikrichtlinien zu aktualisieren und lädt zu dieser ethischen Auseinandersetzung ein. Eine Arbeitsgruppe wurde eingesetzt und arbeitet, teils mit externer fachethischer Unterstützung, seit 2018 daran. Im Herbst 2019 soll eine vordefinitive Fassung vorliegen, die dann bei den Mitgliedern (und weiteren Interessierten) vernehmlasst werden wird. Bereits auf dieses vordefinitive Fassung hin – also jetzt – möchten wir einladen, sich einzubringen. Dies kann in Form von Diskussionsbeiträgen (z.B. direkt hier eingetippt als Kommentare zu diesem Blogbeitrag) sein. Ausdrücklich ist die Eingabe von dilemmatischen Beratungssituationen erwünscht. An welchen Stellen wünschen Sie sich mehr Orientierung und/oder Unterstützung rund um ethische Fragen in Ihrem Tätigkeitsgebiet? Auch das kann hier als Kommentar erfolgen, oder in einer formlosen Mail an jeanpaul.munsch@bso.ch. Wir freuen uns auf die Reaktionen, die uns helfen, Klarheit für die Ethikrichtlinien zu gewinnen, damit als verbindliche Orientierung und als Einladung zur Auseinandersetzung hilfreich und wirksam werden können.
Ein Beitrag von Jean-Paul Munsch, Vorstandspräsident bso und Christoph Arn, Ethiker
. . . dann also freut mich, dass eine arbeitsgruppe die be—;und neu erarbeitet. warte somit die vernehmlassung ab. (dies wird wohl auch eine aktualisierte schreibweise des textes für nutzer*innen beinhalten. > gruss; ueli-bartley brönnimann
Lieber Ueli-Bartley
Danke für deine Unterstützung und deine Anregung. Die AG hat die Zwischenergebnisse am Gremienevent im Juni präsentiert und schon wertvolle Rückmeldungen bekommen. Es folgen weitere Schritte mit den Ausbildungsinstituten und weiteren Partnern bis zur MV 2020, wo wir das Ergebnis den Mitgliedern vorstellen werden. Wir sind sicher, dass wir attraktive und professionelle Ethikrichtlinien hinbekommen und freuen uns auf den Austausch mit weiteren Mitgliedern. Herzliche Grüsse, Jean-Paul