Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Beratung?
Die gesellschaftliche Bedeutung von Beratung in Verbindung mit ihren klassischen Formaten Coaching, Supervision und Organisationsberatung wird häufig an der Frage gespiegelt, wie diese Formate vermehrt im wirtschaftlichen System Fuss greifen können. Gleichzeitig ist das wissenschaftliche Interesse an der Wirksamkeit des beraterischen «Kammerspiels», um ein Bonmot der Psychoanalyse aufzugreifen und auf das Beratungsformat des Zweiersetting im Coaching zu wenden, ungebrochen.
Im Zuge der Renaissance von Sinnorientierung im Fahrwasser von Frankls Logotherapie und Laloux’ Herausstellen des «evolutionary purpose» gewinnt auch die Frage nach dem übergreifenden Sinn nach Beratung eine Aktualität, die notwendige Forschungsinteressen und marktwirtschaftliche Interessen triangulieren. Damit ist ein gesellschaftlicher Dreiklang von Beratung durch Wissenschaft, Wirtschaft und sinnvollem Beitrag entworfen.
Die Verankerung einer Kultur der Beratung bedarf der laufenden Anwendung ebendieser Eckpunkte, um daraus strategisch klug aufeinander abgestimmte Massnahmen zu entwerfen, die das Wirksamwerden von beraterischen Qualitäten in weitere gesellschaftliche Bereiche hinein zum Ziel haben.
Die Bedeutung von Beratung misst sich daran, inwieweit es also gelingt, eine gesellschaftliche Kultur der Beratung zu entwickeln, die sich an Dialogfähigkeit, Prozessorientierung und der nachhaltigen Stärkung von Menschen und Systemen ausrichtet.[1]
Wissenschaftliche Analysen führen uns vor Augen, dass wir in einer Beratungsgesellschaft[2] leben, in der jeder Arbeits- bzw. Lebensbereich von Beratungsangeboten durchdrungen ist und keine Tat vor dem Rat einer Beratungsperson sicher ist.
Um das Schreckgespenst einer «beratenen Gesellschaft» zu überwinden, ist die Reflexion an der gesellschaftlich Relevanz des eigenen Handelns und einer offenen Perspektive, die nachhaltige Entwicklung im Auge und im Herzen hat, hilfreich. Dabei geht es auch darum, flexible Strukturen zu schaffen, die dynamisch in Resonanz gehen können und den Reichtum und das Potential des menschlichen Lebens integrieren.
Beratungspersonen sind deshalb angehalten, sich ihres gesellschaftlichen Beitrags bewusst zu sein, ihr Wissen zum Wohle der Gesellschaft anzuwenden und die Wirkung ihrer Beratungsangebote an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten, damit Beratung das Messbarkeitsparadigma der Wissenschaft und das Profitparadigma der Wirtschaft ausbalancieren kann. So nimmt Beratung ihre Verantwortung wahr, und entfaltet gesamtgesellschaftlich ihre produktive Wirkung.
Ein Beitrag von Jean-Paul Munsch
Vorstandspräsident bso
Literatur
[1] Vgl. z.B. Edgar Schein: Prozess und Philosophie des Helfens.
[2] Vgl. dazu z.B. Peter Fuchs, Diabolische Perspektiven. Vorlesungen zu Ethik und Beratung oder Rainer Schützeichel & Thomas Brüsemeister: Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung.