Corona und der Krieg
Wir erinnern uns: Das Corona-Virus sollte — am besten an der Grenze — gestoppt werden. Der Kampf muss mit einem Sieg über das Corona-Virus enden. Und wir sollten Widerstand gegen das Virus leisten. So und ähnlich konnten wir lesen und hören, und damit meine ich nicht, dass wir uns mit allen wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Mitteln um diese Krise kümmern sollten, sondern ich möchte auf die metaphorische Rhetorik aufmerksam machen, die der Bekämpfung (!) der Krise innewohnt.
Zudem endet eine solche Reflexion nicht allein beim Sprachgebrauch und seiner Wirkung: Ältere Semester vergleichen die Krise erfahrungsgemäss mit dem 2. Weltkrieg. In der Schweiz gibt es Menschen, die die gegenwärtige Krise schlimmer finden. In den Niederlanden triggern die Ausgangssperren ebenfalls Erinnerungen an den 2. Weltkrieg. Die Einschränkungen und die ökonomischen Auswirkungen schlagen direkt auf das Befinden der Menschen durch. Suizidraten, Depressionen und Gewalttätigkeiten nehmen zu — vor allem unter Jugendlichen.
Ist die kriegerische Metaphorik als gerechtfertigt angesichts der Verheerungen (!), die die Corona-Krise hinterlässt?
Nun, es ist wohl nichts dagegen einzuwenden, dass wir auch kämpferisch sein und so vorgehen können, wenn uns etwas wichtig ist. Dazu brauchen wir aber nicht gleich den Kampf nicht einem Krieg gleichzusetzen. Aber da Worte immer auch Wirkung erzeugen, wie wir als beratend Tätige wissen, plädiere ich für einen sorgsamen Umgang mit Sprache, der sich seiner Metaphorik und seiner Wirkung bewusst ist.
Die Corona-Pandemie wirke ausserdem, so heisst es allerorten, wie eine Lupe, unter der gesellschaftliche Prozesse erscheinen: Ungleichheiten, Missstände und auch Funktionierendes taucht nochmals klarer und grösser auf.
So erscheint auch die Sprache — als zentrales Instrument der Beratung — in diesen Zeiten nochmals neu und in einer überraschenden Parallele. Auch Coachings und anderen Beratungen werden Dinge «in Angriff» genommen, «rote Linien» definiert, und wir stehen auf «Kriegsfuss» mit anderen Menschen. Oft sind diese Metaphern auch Ausdruck eines inneren Kampfes und von Kriegsschauplätzen, die sich in unseren Klient:innen (und in uns selber) abspielen. Die so verwendete Sprache verursacht obendrein Stress und zeitigt die entsprechenden körperlichen Reaktionen.
Corona und seine Kriegsmetaphorik sind eine Einladung, wieder mal über unseren eigenen, von Metaphern durchsetzen Sprachgebrauch nachzudenken, um nochmals klarer zu sehen, wie uns Sprache beeinflusst. Die kann uns ängstigen und zusätzlichen Stress verursachen; sie kann uns aber auch gelassen und entspannt auf unsere Ressourcen fokussieren lassen.
Ein Beitrag von Jean-Paul Munsch
Vorstandspräsident bso
Vielleicht wird uns jetzt bewusst, dass wir Teil der Natur sind. Aus ihr sind wir hervorgegangen, irgenwann haben wir uns von ihr getrennt. Wenn wir gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wollen, dann sollten wir lernen, uns wieder mit der Natur zu verbinden. Wir sollten die Kraft der Kommunikation erkennen. Diese Situation fordert uns heraus. Innere Prozesse beginnen; an vielen Orten brodelt es. Ich wünsche allen eine gute Einkehr und ein produktiver Weg von der Aussicht hin zur Einsicht….